Die 1925 in Staaken errichtete Siedlung Neu-Jerusalem umfasst 21 nahezu identische Doppelhaushälften, geplant vom Berliner Architekten Erwin Anton Gutkind im Sinne des Neuen Bauens. Gutkind, Absolvent der Technischen Hochschule Charlottenburg (heute TU Berlin), promovierte mit einer Arbeit zum „Neuen Bauen“.
Architektonisches Konzept
Gutkinds Entwurf folgt den Prinzipien der Neuen Sachlichkeit:
- Kubische Baukörper mit klaren Linien
- Reduzierte Materialität (weiß verputzte Flächen und rotes Ziegelmauerwerk)
- Funktionale Raumorganisation und Wirtschaftlichkeit
Auffällig sind die schmalen, asymmetrischen Fensteröffnungen, bei denen der kleinere Flügel als Lüftungsfenster dient.
Standort und Realisierung
Die Häuser reihen sich entlang der Heerstraße nahe der damaligen Stadtgrenze:
- 11 nördlich der Verkehrsachse
- 10 südlich der Verkehrsachse
Eigentümerin war die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft.
Ursprünglich waren 22 Doppelhäuser genehmigt und errichtet worden; das 22. Gebäude steht jedoch abseits des Ensembles und diente als Experimentierfeld für Fertigbauelemente und zählt nicht zur Siedlung.
Leben in der Siedlung
Neu-Jerusalem war als Wohnort für Selbstversorger konzipiert:
- Großzügige Gartenanteile für Gemüseanbau und Kleintierhaltung
- Ca. 80 m² Wohnfläche pro Einheit
- Ursprünglich keine Bäder, statt dessen badeten man wie seinerzeit üblich in aufgestellten Wannen.
Bewohnerwechsel und Exil
Die ersten Mieter waren Piloten der benachbarten Fliegerschule Staaken. Nach deren Umzug nach Braunschweig 1929 rückten Familien nach, die verstärkt Gartenarbeit betrieben. Gutkind, jüdischer Herkunft, emigrierte in den 1930er Jahren nach London und später in die USA.
Der Name Neu-Jerusalem entstand durch Anwohner, die an mediterrane Bauformen erinnert wurden. Der ursprüngliche Name lautete schlicht „Siedlung an der Heerstraße“.
Zäsur und Denkmalstatus
Nach 1945 fiel Staaken in die Sowjetische Besatzungszone, und die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft wurde enteignet. Während der Teilung Berlins lag Neu-Jerusalem unmittelbar an der Grenze. Unklare Besitzverhältnisse hielten bis nach der Wiedervereinigung an.
Seit 1992 steht die Siedlung unter Denkmalschutz. Restaurierungskonzepte orientieren sich am ursprünglichen Farb- und Materialkontrast, wobei Klinker häufig durch roten Mineralputz ersetzt werden.