Wir starten unseren Spaziergang durch die Tiefwerder Wiesen am Imbiss an der Heerstraße, überqueren die Straße nach Norden und folgen dem Brandensteinweg. Nach wenigen Metern biegen wir links auf einen Weg hinter einer Schranke ab, der uns in ein reizvolles Waldgebiet führt.
Vorbei an einer Betriebsanlage eines Erdgasspeichers erreichen wir bald den Tiefwerder Rundweg. Zunächst führt der Weg rechts durch den Wald, wobei sich uns immer wieder schöne Ausblicke auf die darunter liegenden, weitläufigen Tiefwerder Wiesen bieten.
Nach kurzer Zeit führt links ein Weg mit einem Geländer bergab. Wir überqueren eine kleine Holzbrücke und wandern entlang des idyllischen Hauptgrabens. Das Rascheln des Schilfs, der Duft des Feuchtgebiets und die charmanten Wochenendhäuschen erzeugen eine entspannte Urlaubsstimmung. Schließlich öffnet sich die Landschaft zu einer großen, weiten Wiesenfläche, die wir umrunden, wobei uns Stichwege näher an den Hauptgraben und zu kleinen Bootsanlegern bringen.
Eine weitere Brücke über einen Kanal bietet Zugang zu einem zusätzlichen kleinen Areal mit Wochenendhäusern. Die zahlreichen Havelarme und Kanäle haben dem Gebiet den Beinamen „Klein-Venedig“ eingebracht, und jemand hat – wohl als Reminiszenz an die Ponte dei Sospiri – kurzerhand "Seufzerbrücke" auf ein Schild geschrieben. Im Gegensatz zum venezianischen Vorbild gelangt man hier jedoch nicht in ein Gefängnis, sondern zu gemütlichen Datschen.
An einem Gartenzaun finden wir ein Gedicht von Paul Setzpfand über die Tiefwerder Wiesen, und eine einladende Bank lädt dazu ein, innezuhalten und die Stimmung zu genießen.
Über eine lange Holzbrücke gelangen wir anschließend ins historische Dorf Tiefwerder. Das Dorf wurde 1815 als Kolonistensiedlung von Fischern gegründet, die aus Spandau hierher umgesiedelt wurden. Tiefwerder steht heute unter Denkmalschutz und bezaubert mit zahlreichen alten Häusern. Zu den auffälligeren historischen Gebäuden zählt das Ballhaus Spandau, ein Tanzlokal aus dem Jahr 1895.
Hinter der Hausnummer 27 biegen wir links ab und schlendern zwischen den Häusern hindurch über eine Brücke bis an die Havel, die hier als breiter Kanal verläuft. Südlich entlang der Havel erreichen wir bald die Steganlage, die uns über einen kurzen Abschnitt der Wiesen führt. Dort sehen wir Schafe und Wasserbüffel, die als Landschaftspfleger eingesetzt sind und die Wiesen offen halten.
Von der Havel kommend biegen wir links ab und durchqueren den Durchstich zum Gewässer „Toter Mantel“, bevor unser Weg schließlich wieder zurück durch den Wald zum Brandensteinweg führt.
Tiefwerder von Einst
von Paul Setzpfand (1934)
Stand einst ein Dorf im märkischen Land
Von Wald und Wasser und Wiesen umgeben,
Das lag so verträumt noch und unbekannt
Am schönen blauen Havelstrand,
Gar geruhsam pulste das Leben.
Unter Dächern, gedeckt meist aus Rohrgeflecht,
In kleinen versonnenen Häuschen,
Da wohnte ein ehrsames Fischergeschlecht
Mit alten Privilegien und mit altem Recht
Und mit alten Sitten und Bräuchen.
Gab damals der Schulze etwas amtlich bekannt
Dann machte der Aalstock die Runde.
Den reichte man weiter von Hand zu Hand
Bis er sich wieder beim Schulzen befand,
So vernahm die Gemeinde die Kunde.
Und waren des Tages Werke vollbracht;
Dann schlief das Dorf wohlgeborgen,
Dann stapfte der Nachtwächter durch die Nacht
Mit Spieß und mit Horn und hielt treulich die Wacht
Bis an den anderen Morgen.
Das war als hier noch die Nachtigall sang,
Auf dem Dach das Geklapper der Störche erklang,
Das war, als es noch unentdeckt war,
Unser Tiefwerder vor 100 Jahr.
„Chronik von Tiefwerder" vom Fischer Rasenack