Wir starten in Netzen, parken bequem an der Ecke „Am See/Lerchenweg“ – zwei Minuten von der A 2‑Abfahrt entfernt – und schultern die Rucksäcke. Kaum sind die Wanderschuhe geschnürt, verlassen wir den Asphalt und tauchen auf dem Pfad „Am Einstich“ in einen verwunschenen Erlenbruch ein. Zwischen krummen Stämmen blitzt immer wieder das Blau des Netzener Sees auf, der Boden federt nach den letzten Gewittern angenehm unter jedem Schritt. Der Spätsommer liegt in der Luft; feuchte Erde, erste welke Blätter, aber noch genug Sonne, um uns ein warmes Licht durchs Laub zu schicken.
Plötzlich endet der „Hobbit‑Wald“ und wir stehen am schnurgeraden Emster Kanal. Auch wenn sein Lauf künstlich ist, schmückt üppiges Grün das Ufer, Libellen tanzen über dem Wasser. Nach wenigen Minuten erreichen wir eine überraschend massive Holz‑Stahl‑Brücke, von der aus wir in beide Richtungen weit ins Schilf spähen können. Wir wechseln hinüber, grüßen eine Fotografin mit mächtigem Teleobjektiv – ihr Traum ist ein Eisvogel im Morgenlicht – und folgen nun dem linken Kanalufer. Schon nach ein paar Schritten lockt rechts ein Stichweg zum Vogelbeobachtungsturm am Strengsee: die Stufen knarzen, oben weht Wind, und vor uns breitet sich ein gleißender Teppich aus Seerosen, Schilfgürteln und spiegelndem Wasser. Wir stellen uns vor, wie im Morgendunst Graugänse starten und Kraniche trompeten – heute ist es dafür etwas spät, doch die Kulisse beeindruckt trotzdem.
Weiter geht’s, der Kanal zur Linken, bis wir nach rund 750 Metern zwischen zwei eingezäunten Weiden hindurch ins offene Terrain treten. Der Wind greift nach unseren Jacken, Kiebitze rufen, Schmetterlinge flattern über Disteln. Bald nähert sich der Weg dem Strengsee; als wir ein Gebüsch passieren, stieben Kormorane mit heiserem Krächzen davon, und über unseren Köpfen ziehen schon die ersten Kranichzüge gen Süden. Kein Zweifel: Das hier ist ein Vogelparadies.
Am Rand des Naturschutzgebiets wird der Pfad zum Feldweg. Links ragt meterhoher Mais, dank Beregnungsanlage sattgrün trotz Dürresommer. Nach einem guten Kilometer taucht ein abgeschirmter Agrarbetrieb auf; wir biegen rechts ab und spazieren über eine ruhige Asphaltstraße, deren Kastanien uns mit stacheligen, noch grünen Früchten über den Köpfen begrüßen. Die Blätter sind jedoch vom Hitzestress bereits bräunlich – ein Bild spätsommerlicher Vergänglichkeit.
Kurz vor Trechwitz‑Siedlung zweigt ein sandiger Weg unauffällig nach rechts. Wir lassen ein paar gepflegte Datschen hinter uns und betreten wieder die Stille der Seenlandschaft. Nach rund 700 Metern kündigt ein Schild die seltenen Salzwiesen an: Hier drückt salz‑ und kalkhaltiges Grundwasser an die Oberfläche und schafft Lebensraum für Strandastern, Quellerarten und andere Küstenbewohner – im Binnenland eine kleine Sensation. Wir staunen über das silbrig glänzende Grün, stellen uns im Frühling die Balzrufe der Wasservögel vor und genießen das Plätschern winziger Wasserläufe im Moorgras.
Noch 1,3 Kilometer geht es geradeaus: links Acker, rechts vereinzelte Kopfweiden – dann erscheint der Emster Kanal erneut. Über die vertraute Brücke wechseln wir auf die Startseite zurück, lassen den Bruchwald ein zweites Mal hinter uns rascheln und stehen wenig später wieder am Auto.
Knapp neun abwechslungsreiche Kilometer liegen hinter uns: vom Schatten alter Erlen über weite Moorwiesen bis zu seltenen Inland‑Salzwiesen – alles eingebettet in eine stille Seenlandschaft, die erstaunlich unberührt wirkt, obwohl Potsdam, Werder und Brandenburg nur einen Steinwurf entfernt sind. Wer Vögel fotografieren will, sollte im ersten Morgenlicht am Strengsee sein; wer einfach Ruhe tanken möchte, findet sie hier den ganzen Tag.