Havelland Touren
Blog

Die Fähre Bei Bellin - Fehrbellin im Rhinluch

Samstag, 13. September 2025
Die Fähre Bei Bellin - Fehrbellin im Rhinluch

Fehrbellin – Wanderung im Rhinluch

Die Fahrt geht heute nach Fehrbellin. Seit meiner Jugend ist mir der Name vertraut – wenn auch nur als Fehrbelliner Platz in Berlin, wo ich mit 14 Jahren nach dem Internat in den Bus stieg, der mich zur Schule brachte. Dass es Fehrbellin als Ort nahe Berlin tatsächlich gibt, erfuhr ich erst nach der Maueröffnung. Später, als ich begann, mich für das Havelland zu begeistern, entdeckte ich die Zusammenhänge: das Ländchen Bellin, eine leichte Erhebung im sumpfigen Urstromtal der Eiszeit, und die Fährstelle, die von dort eine sichere Überquerung des Rhin ermöglichte. Aus „Fähre bei Bellin“ wurde Fehrbellin – ein Name, der Geschichte, Landschaft und persönliche Erinnerungen für mich verbindet.

Meine Wanderung beginnt an der mächtigen Kirche von Fehrbellin, die mit ihrem hohen Bau alle anderen Häuser des Ortes überragt. Die Kirche wurde von Friedrich August Stüler erbaut, einem der bedeutendsten Architekten des 19. Jahrhunderts und Schüler wie Nachfolger Karl Friedrich Schinkels. Er prägte zahlreiche Bauwerke in Preußen und gab vor allem vielen Kirchen ein charakteristisches Gesicht – oft im neugotischen Stil, wie hier bei der Kirche in Fehrbellin.

Schon von weitem ist der Glockenschlag zu hören, der weit über die Felder hinausdringt. Die Kirche war geöffnet, und ich nahm mir Zeit, den Innenraum zu erkunden. Besonders die umlaufende Empore und das eindrucksvolle Dachgestühl haben mich überrascht – eine Schlichtheit und Weite, die gut zu diesem Landstrich passt.

Stülerkirche Fehrbellin

Auch die Straßen von Fehrbellin tragen das vertraute Bild vieler kleiner Städte im Havelland: alte Häuser säumen die Wege, nichts lenkt den Blick außer den wenigen Autos, die sich durch den Ort bewegen. Menschen sind kaum unterwegs. Nur ein paar Anwohner stehen plaudernd an der Straße, und eine alte Frau am Fenster antwortet auf meine Frage nach besonders alten Häusern. Sie ruft zurück in ihre Wohnung: „Gerda, wo sind die alten Häuser?“ – um schließlich mit einem Schulterzucken zu sagen: „Hier.“ Mehr Erklärung braucht es nicht.

Ruppiner Straße Fehrbellin

Von hier zieht es mich hinaus ins weite Rhinluch, das im 18. Jahrhundert unter Friedrich dem Großen durch Melioration trockengelegt wurde. Schon ein geringer Höhenunterschied entschied damals, ob man im Sumpf stand oder auf trockenem Land. Auf meinem Weg wird diese Kante gut sichtbar: ein kurzer Aufstieg nur, und schon befinde ich mich auf dem alten Ländchen Bellin, einer ehemaligen Insel im Moormeer, von der sich die weite Ebene überblicken lässt.

Über Plattenwege laufe ich nah am Rhin entlang, der in dieser Ebene überraschend lebendig mäandert. Nach einigen Kilometern erreiche ich Lentzke, wo ich den Fluss überquere. Auch hier überragt die Kirche den Ort, doch an diesem Tag ist sie verschlossen. Vor dem Portal informiert eine Tafel über die Geschichte des Dorfes, die eng mit der Entwicklung des Rhinluchs verknüpft ist. Ich verweile einen Moment, lese die Hinweise, dann führt mich die Landstraße weiter in Richtung Fehrbellin.

Kuhherde im Rhinluch

Rhinkanal bei Lentzke, Blick nach Westen

Am Straßenrand reihen sich schöne Häuser, viele frisch gestrichen, andere leuchten im gelborangem Ziegelkleid. Ein hoher Ziegelschornstein ragt als stummes Relikt in den Himmel – war hier einst eine Ziegelei, vielleicht auch eine Brennerei? Gegenüber steht ein unscheinbares Wohnhaus, fast übersehbar, wären da nicht die weißen Leinenvorhänge in den Fenstern und kleine Kunstfiguren, die dem Haus einen poetischen Ausdruck verleihen.

Dorfstraße Lentzke

Ein Stück kann ich neben der Straße laufen, direkt an der Kante zur ehemaligen Insel im Luch, wo ein Reiterhof den Übergang markiert. Als ich wieder auf die Straße zurückkehre, verwandelt sie sich in eine Obstallee: ein Birnbaum reiht sich an den nächsten, gelbe Pflaumen und Mirabellen leuchten im Spätsommerlicht, und sogar ein einzelner Pfirsichbaum überrascht mit seinen Früchten. Es ist, als würde die Landschaft selbst zum Proviant reichen.

Kurz darauf tauchen die Ortsschilder von Fehrbellin wieder auf. Gerade rechtzeitig, denn die aufgeheizte Sommerluft entlädt sich in einem kräftigen Gewitter. Mit schnellen Schritten rette ich mich in den Ort, während Regen und Donner über das offene Land ziehen – ein dramatischer Abschluss einer stillen, weiten Wanderung.

Später fahre ich noch mit dem Auto hinaus nach Hakenberg, wo das Denkmal an die Schlacht von 1675 erinnert. Es ist kein Obelisk, sondern ein begehbarer Turm, gekrönt von einer goldenen Viktoria – einer „Goldelse“, die als Vorläuferin der Berliner Siegessäule gilt. Innen führt eine enge, steile Wendeltreppe nach oben, bis man den schmalen Rundgang erreicht. Dort, hoch über der Ebene, öffnet sich der Blick weit ins Rhinluch. Der Umgang ist so schmal, dass ich mich festhalten muss, als ich versuche, die Viktoria über mir zu fotografieren – der Wind, die Höhe und das schmale Geländer machen mich schwindelig.

Oben treffe ich zwei Männer, einen älteren und einen jüngeren, die ebenfalls die Aussicht genießen. Sie sind extra aus Stuttgart angereist, zur Geburtstagsfeier im Waldhaus, dem Restaurant gleich nebenan. Wir plaudern, ich erzähle von meiner Wanderung, und als sie mich fragen, ob ich nicht auch dort essen wolle, denke ich: Warum eigentlich nicht? So endet der Tag mit Matjes. Und als Nachtisch ein Stück Pflaumenkuchen – köstlich zwar, doch kaum größer als ein Keks - serviert in einem Saal voller Kurfürstenbilder, Säbel und einer Ahnentafel der Hohenzollern, betreut von einer freundlichen Bedienung.

Siegessäule Hakenberg

Für den Bezug der Geodaten der NSG und Gewässer, Biotopklassifikationen und weiterer Daten siehe Literatur/Quellen