Havelland Touren
Blog

Zwischen Hufgetrappel und Spiegelglas – Unterwegs in und um Neustadt (Dosse)

Sonntag, 06. Juli 2025
Zwischen Hufgetrappel und Spiegelglas – Unterwegs in und um Neustadt (Dosse)

Die RE8 bringt mich von Spandau in 45 Minuten nach Neustadt (Dosse). Es ist durchaus angenehm, sich einmal kutschieren zu lassen. Mit dem Auto wäre ich nur unwesentlich schneller gewesen, und da ich direkt vom Bahnhof aus starten kann, passt es ganz gut.

Neustadt (Dosse) entpuppt sich als typischer Straßenort. Ich gehe zunächst die Bahnhofstraße Richtung Westen und passiere bald das Bistro im ehemaligen Wasserturm, der einst zur Versorgung der Dampflokomotiven genutzt wurde. Nach der langen Tour gestern zieht es noch etwas in den Beinen, aber heute stehen nur etwa 12 km auf dem Plan – das sollte passen. Neustadt (Dosse) hat zwar kein richtiges Zentrum, doch auf meinem Weg entlang der Hauptstraße reihen sich hübsche Häuser, kleine Villen und Geschäfte aneinander, wodurch ein angenehm abwechslungsreiches Ortsbild entsteht. Besonders einprägsam ist das Forstamt mit seinem weitläufigen Forstlehrgarten, der schattige Rastplätze bietet, sowie die neugotische Herz-Jesu-Kirche mit dem dazugehörigen Ursulinenkonvent.

Herz Jesu Kirche

Nachdem ich die Dosse überquert habe – erst über einen ruhigen Nebenarm mit dichtem Algenteppich, danach über einen lebendig sprudelnden Abschnitt mit kleinen Stromschnellen – erreiche ich bald den historischen Kern des Ortes. Die Fachwerkhäuser um die evangelische Kreuzkirche gruppieren sich malerisch um den zentralen Platz und bilden einen stimmungsvollen Kontrast zum bisherigen Straßenbild.

Stadtbild Neustadt (Dosse)

Der idyllische Deichweg, der mich aus der Stadt hinausführt, bringt mich zu den weitläufigen Gebieten des Gestüts. Bei der Tourplanung haben mich die beiden voneinander getrennten Zentren irritiert: nördlich an der Straße die Gebäude und Stallungen des Landesgestüts, ein Kilometer weiter südlich dann der Bereich des Hauptgestüts. Ursprünglich wollte ich das nördliche Landesgestüt auslassen, aber nun höre ich von dort lautes Wiehern und eine Stimme, deren Echo über die Landschaft weht, stets gefolgt von einer Glocke.

Als mir eine Radlerin entgegenkommt, frage ich sie, ob sich der Besuch des Landesgestüts ebenfalls lohne, wenn ich hier schon unterwegs bin. Sie informiert mich freundlich, dass heute Springreiten und Dressurreiten stattfinden, und wenn mich das interessiert, lohnt ein Besuch auf jeden Fall.

Also ändere ich die Tour und biege kurz darauf rechts auf einen schmalen Pfad ein, der mich zu den Koppeln und zum Haupteingang des Pferdegestüts führt. Hier begleitet mich nun intensiv der typische Geruch nach Pferden.

Pferdegestüt Neustadt (Dosse)

Auf den ausgedehnten Koppeln stehen die Tiere, die mich gelassen ignorieren. Die Wege bei den Stallungen sind zugeparkt mit Pferdeanhängern, es riecht nach Heu, und ein geschäftiges Treiben von jungen Mädchen und deren Eltern verrät die Anspannung eines Wettkampfes. Ich schlendere über das Areal und schaue mir ein paar Parcours-Ritte an, dann ziehe ich weiter.

Springturnier

Während ich die Kastanienallee entlangwandere, vorbei an der großen Zuschauertribüne, sehe ich Pferdegruppen friedlich auf den weitläufigen Weiden grasen. Die Dimensionen der Koppeln sind beeindruckend, sie ziehen sich bis zum Horizont.

Das südliche Hauptgestüt mit seinen weißen Gebäuden und dem großen, imposanten Landstallmeisterhaus erinnert eher an eine großzügige Schlossanlage. Auch hier tummeln sich einige Pferde auf den Auslaufbereichen innerhalb des von Stallungen umrahmten Bereichs, leider werden sie gerade weggeführt, als ich das Gelände betrete – ich hätte gerne ein paar Fotos von ihnen gemacht. Aber ich darf in einen Stall hineinschauen, in dem sich die Pferde jetzt befinden. Eine Familie steht neben mir und referiert begeistert über die Pferde, die wohl aus Österreich kommen.

Landstallmeisterhaus im Hauptgestüt

Vom Hauptgestüt geht es nun weiter nach Süden, durch den Gestütswald. Der Gestütswald war es, der mich überhaupt in die Gegend gezogen hat – ich stolperte über ihn auf der Suche nach schönen Waldwanderungen. Da ich nicht zu viel Zeit habe – die stündliche Rückfahrt des Zuges gibt mir leider einen Takt vor und treibt mich zu einer Eile an, die ich nicht abzuschütteln vermag – bleibe ich auf dem Hauptweg. Der Wald soll von weiteren Wegen durchzogen sein, die als Parcoursstrecken für Reiter genutzt werden.

Waldweg im Gestütswald

Der Wald wird zunehmend wilder, der Parkcharakter verschwindet und macht einem organischen Mischwald Platz.

Nach dem Wald erreiche ich eine Kreuzung, biege links ab und überquere bald den Dosse-Kanal über eine Fußgängerbrücke. Hinter einem Wäldchen liegt der Weiler Neu Amerika, von dem allerdings nichts zu sehen ist. Die Landschaft, die sich südlich von hier erstreckt, zählt zum Rhinluch, einst sumpfig und vor etwa 250 Jahren trockengelegt.

Auf dem Deich begleitet mich die friedlich dahinfließende Dosse, keine Spur mehr von der Lebendigkeit weiter stromaufwärts. Die Deichkrone ist von Margeriten, Mohn und Stauden gesäumt, Schmetterlinge kreuzen meinen Weg. Zwei Jungs mit Angeln kommen mir auf dem Deich entgegen geradelt, ihre T-Shirts eloquent als Sonnenschutz zu Turbanen auf den Kopf gebunden, und grüßen freundlich.

Links des Kanals zeigt sich bald die Rückseite des Hauptgestüts mit seinem langgestreckten weißen Haupthaus samt Glockenturm. Zur vollen und halben Stunde klingt das Geläut weit über die Wiesen. Ich erreiche nun eine Allee mit blühenden Linden, erfüllt vom Summen unzähliger Bienen und Hummeln. Bald darauf folge ich einem kleinen asphaltierten Sträßchen entlang des Kanals, vorbei an einem ehemaligen Trafoturm, der heute als Brutstation vom NABU genutzt wird.

Immer wieder höre ich das Wiehern der Pferde, entweder von den nahegelegenen Gestütskoppeln oder aus vorbeifahrenden Transportwagen, in denen die Tiere gelegentlich ihre Mähnen schütteln. All das verstärkt nochmals das besondere Gefühl, in einer Region zu wandern, die ganz im Zeichen der Pferde steht.

Ich erreiche nun einen weiteren alten Bereich von Neustadt - den Spiegelberg. Ein Schloss soll es hier geben, was vielleicht eine kleine Übertreibung ist - es handelt sich um das Direktorenhaus der Glasfabrik, die vor fast 400 Jahren hier gegründet wurde. Spiegelglas wurde hier hergestellt, mit Hugenotten, den französichen Protestanten, die in Preußen eine Zuflucht vor Verfolgung erfuhren. Spiegel herzustellen war zu dieser zeit sehr aufwändig - zuerst wurden Zylinder geblasen, die dann aufgeschnitten und glattgewalzt wurden, bevor sie mit Zinn und Quecksilber beschichtet wurden.

Schloss Spiegelberg

In diesem Stadtviertel mischen sich alte Kolonistenhäuser mit neue Bauten und historische Backsteinscheunen, die auf die bäuerliche Vergangenheit hinweisen.

Fachwerkhäuser am Spiegelberg

Eigentlich mag ich ja Wanderrouten, die etwas mehr Abwechslung bieten, doch diese Tour verläuft auf zwei langen, geradlinigen Etappen: zuerst durch den Gestütswald, dann entlang des Deichwegs am Dosse-Kanal. Doch zusammen mit dem Erkundungsspaziergang durch Neustadt (Dosse) und dem Besuch des Gestüts sammle ich am Ende doch viele schöne und eindrucksvolle Momente, die mir die Route in guter Erinnerung bleiben lassen.

Für den Bezug der Geodaten der NSG und Gewässer, Biotopklassifikationen und weiterer Daten siehe Literatur/Quellen